Den digital-ökologischen Fußabdruck minimieren: Interview x Nicolas Boutet

Digitale Prozesse sparen bereits viele Ressourcen ein, die zuvor der Umwelt schadeten. Doch wie wir alle wissen: Es geht immer noch ein Stück mehr. Chefsache24 spricht mit Nicolas Boutet, Gründer und CEO von Wedia. Er leitet seit Jahren eines der führenden Digital Asset Management (DAM) Unternehmen und bringt somit einen breiten Erfahrungswert in Sachen Digitalisierung und Umweltschutz mit.

Herr Boutet, digitale Prozesse finden ohne Transportwege und nur mit Geräten wie Computer, etc. statt. Wie können dabei noch immer so viele Schadstoffe entstehen?

Klar, im Vordergrund sehen die Prozesse einwandfrei aus. Viele Anwender:innen vergessen dabei aber, zumindest schon einmal im kleinen Rahmen, dass die Geräte derzeit noch nicht komplett schadstofffrei hergestellt werden können. Das ist aber eher harmlos und im Vergleich zur nicht-digitalen Arbeitsweise auch gar kein Problem. Der größte Schadstoff entsteht beim Betrieb. Nicht nur die eingesetzten Geräte, sondern vor allem Server und Speicher für das Internet benötigen einiges an Energie. Und dann wird aus der Digitalisierung in manchen Köpfen schnell eine schöne Milchmädchenrechnung, die solche Faktoren komplett auslässt.

Um es mal auf den Punkt zu bringen: Gibt es grobe Kennzahlen zum CO₂-Ausstoß gängiger digitaler Prozesse?

Solche Werte sind schnell recherchiert und lassen sich mit Tools wie beispielsweise “Thank you, nature.” individuell berechnen. Der CO₂-Fußabdruck im digitalen Sektor steigt aktuell um circa vier Prozent. Betrachten wir dann noch das Metaverse, NFTs und andere Neuerungen mit Dauer-Internetzwang als Voraussetzung, riskieren wir künftig sogar 12 bis 14 Prozent Wachstum des CO₂-Ausstoßes.

Wie identifizieren Entscheider:innen die digitalen Abläufe, die einen negativen Einfluss auf die Umwelt haben? 

mit Nicolas Boutet, Gründer und CEO von Wedia

mit Nicolas Boutet, Gründer und CEO von Wedia © Vinciane Lebrun/Voyez-Vous

Entscheider:innen sollten die Beobachtung der eigenen Prozesse holistisch angehen. Alles, das im Hintergrund nicht sichtbar ist, sollte in die Bedenken zur Prozessoptimierung einbezogen werden. Eine Grafik zählt somit nicht nur als reines Bild, sondern eben auch die Bearbeitung, die beteiligten Personen oder Geräte, der Versand über das Internet und eventuelle Social-Media-Ausspielung.

Fragen, die helfen können:  Braucht es zum Beispiel wirklich vier verschiedene Bildgrößen für unterschiedliche Plattformen? Also vier Dateien, die alle gesondert gespeichert werden? Oder reicht ein einziges Bild, das sich an die gegebene Plattform anpassen lässt?

Selbstverständlich wäre die Berechnung genauer Kennzahlen sehr viel Aufwand und dadurch für viele Unternehmen unwirtschaftlich. Es reicht schon, die eigenen Prozesse einmal kritisch zu hinterfragen und allein dadurch viele Verbesserungen anzustoßen. Sieht man erst einmal genauer hin, können überraschende Ergebnisse entstehen.

Wie können Unternehmen ihre bisherigen digitalen Abläufe so optimieren, damit der Fußabdruck verkleinert wird? 

Bleiben wir beim genannten Beispiel: Wenn man ein Bild versendet, kann man es beispielsweise vorher komprimieren. Google bietet dafür im eigenen Mailing-Programm eine automatische Möglichkeit. Auf vielen Smartphones wird vor dem Versand der Mail gefragt, ob angehängte Bilder komprimiert werden sollen. Dadurch benötigt es in erster Linie schon einmal weniger Speicherplatz auf Sender- sowie Empfänger-Seite. Aber es entsteht auch ein anderer Vorteil: Das Bild wird generell schneller versendet, mit der gleichen Qualität.

Für internationale oder auch nationale, jedoch örtlich weit verbreitete Teams bietet sich der Einsatz eines CDNs (Content Delivery Network) an. So behalten die Unternehmen nur eine einzige Datei oder Instanz auf der eigenen Seite. Die Diffusion über verschiedene Geräte, Websites, soziale Medien und weitere Outlets, findet dann auf der Seite der CDN automatisiert statt. Aktualisierungen der eigenen Instanz führen dann auch zur Aktualisierung auf dem CDN. In Zahlen: Man spart zehn bis zwölf Prozent CO₂ ein, indem man die Bilder dementsprechend generiert und handhabt.

Das gleiche funktioniert natürlich auch mit Videos und weiteren Dateien. Und alles andere lässt sich zumindest vor dem digitalen Versand in Archiven komprimieren.

Welche Möglichkeiten gibt es, die Digitalisierung innerhalb eines Unternehmens ressourcenschonend voranzutreiben?

Die Aufgabe der Dienstleister in der Beratungspflicht oder der Unternehmen selbst ist es, die Inhalte, die über das Internet laufen, zu optimieren. Dabei ist es ein sehr hilfreiches Mittel, den Erfolg der Assets zu messen. Beobachtet man, wie gut eigener Content funktioniert, kann man schlechten Content identifizieren und löschen. Damit vermeidet man nutzlose Bildwelten, die unsere Umwelt unnötig verschmutzen. Dateien, die keinen Anklang in der Zielgruppe finden, brauchen schließlich nicht weiterhin produziert oder gespeichert werden. Hier können die Unternehmen bereits 25 bis 30 Prozent ihres jährlichen CO₂-Ausstoßes allein durch den Ausschluß des unnötigen Contents sparen.

Was die neuen Sternchen am Horizont angeht, wird die CO₂-Bilanz zunehmend schlechter. Metaverse und Co. sind zurzeit noch wahre “Internet-Kolosse” und benötigen unzählige Ressourcen, um gut zu funktionieren. Zum Glück gibt es hier aber mit Lösungen wie Headless-CMS auch schon vielversprechende Alternativen, um den Content mit weniger Ressourcen in den neuen Medien zu verbreiten – wie also auch jetzt, müssen Manager:innen, Entscheider:innen und Geschäftsführer:innen hier beobachten, bewerten und letztendlich immer weiter die eigenen Prozesse verbessern.

Foto von Pixabay: https://www.pexels.com/de-de/foto/silhouette-der-baume-39553/