Entscheidungen

Zur Debatte stand der Satz: „Lieber eine Fehlentscheidung als keine Entscheidung.“

Es gab eine ziemliche Diskussion, weil ich behaupte, dieser Satz ist der Jugend vorbehalten. Wenn überhaupt. Tatsächlich hat ein älterer Mensch nicht die Zeit für Fehlentscheidungen.

Es kam viele Hinweise von Lesern, dass es gar keine falschen Entscheidungen gäbe und im Nachhinein manch Fehlentscheidung ach so große Geschenke brachte. Es gab das Beispiel der Verletzung eines anderen, die ja möglicherweise nicht bewusst getroffen wurde. Ja und?! Ob bewusst oder nicht, wenn ich jemanden geistig oder körperlich verletze, ist das doch trotzdem eine schlechte Entscheidung, oder?! Auch die abgebrochene Ausbildung wurde versucht als gute Entscheidung zu deklarieren. Wie geht das? Selbst wenn es im Nachhinein nützlich für etwas anderes wäre, war doch entweder schon die Auswahl der Ausbildung nicht gut genug oder der Abbruch schlecht.

Alles andere ist ausschließlich Schönrederei und/oder Trostpflaster.

Lassen Sie uns das Thema etwas genauer betrachten.

Es geht um nicht weniger als unser Leben. Unser Leben besteht aus Entscheidungen. Die Qualität unseres Daseins wird bestimmt durch die Qualität von Entscheidungen. Manchmal sind es nur Momente der Entscheidung, die unser Schicksal bestimmen, manchmal aber auch eine ganze Reihe von Entscheidungen.

Zu der Frage, ob es schlechte Entscheidungen gibt, kann es nur ein eindeutiges Ja geben.

Natürlich gibt es schlechte Entscheidungen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, jemals eine Zigarette zu rauchen. Es ist bereits bei der ersten Zigarette eine schlechte Entscheidung und sie wird bei jedem folgenden Glimmstengel auch nicht besser. Es gibt unzählige weitere Beispiele.

Es gibt immer nur drei Möglichkeiten:

1. Wir treffen keine Entscheidung.

2. Wir treffen eine schlechte Entscheidung.

3. Wir treffen eine gute Entscheidung.

Der erste Fall kann für uns nicht gut sein, weil wir anderen oder dem Zufall die Wahl lassen.

Ich rede nicht davon, eine Entscheidung bewusst zu vertagen, weil uns Informationen fehlen oder wir die Angelegenheit in einem anderen Zustand, an einem anderen Tag, mit anderen Emotionen und Rahmenbedingungen noch einmal prüfen wollen. Dies wäre nämlich eine getroffene Entscheidung: die Entscheidung zu einem anderen Zeitpunkt zu treffen!

Ich rede davon keine Entscheidung zu treffen. Keine zu treffen ist eine schlechte Entscheidung.

Damit sind wir beim zweiten Fall. Dieser Fall trifft immer dann zu, wenn ich gegen meine eigentlichen Wünsche, Ziele und Werte ins Handeln komme. Nehmen wir an, Sie lernen einen anderen Menschen kennen und wollen eine Partnerschaft. Sie spüren und wissen, dass es zu viele Unstimmigkeiten und wesentlichen Unterschiede zwischen Ihnen gibt, wollen aber nicht allein sein. Langfristig werden Sie mit diesem Menschen niemals glücklich leben – das wüssten Sie, wenn Sie genau darüber vordenken würden. Sie machen aber einen Kompromiss, denn Sie wollen lieber mit jemandem zusammen sein, der nicht 100%ig passt, als ganz alleine zu sein.

Und nun setzt ein sehr praktisches Phänomen ein: Sie erklären sich die Richtigkeit der falschen Entscheidung. Vielleicht irren Sie sich ja und der Partner passt doch. Vielleicht ändert sich das Verhalten des anderen ja noch, was Ihnen bisher gar nicht gefällt und Sie leben glücklich bis an das Ende Ihrer Tage zusammen. Vielleicht sollten Sie nicht so streng mit sich sein und einfach mal dem Leben seinen Lauf lassen. Man kann ja sowieso nicht alles planen. Das Leben hält schließlich immer Überraschungen bereit. Auch könnte es ja sein, dass Sie sich nur an etwas stören, was Sie spiegelt und Sie haben da noch einen Lernprozess ausstehen…

Ein weiteres Beispiel, nicht ganz so leicht auszumachen. Nehmen wir an Sie wollten mehr Sport treiben und fit werden. Sie wollen heute nicht fernsehen und faulenzen, sondern Joggen gehen. Draußen regnet es. Und Sie haben den ganzen Tag schon gearbeitet. Sie wollten heute Nachmittag joggen. Doch Sie sind schon um 5 Uhr aufgestanden. Eigentlich sind Sie schon seit 12 Stunden auf den Beinen. Und Kuchen gegessen haben Sie auch noch vorhin, der liegt ganz schön schwer im Magen. So können Sie jetzt eigentlich nicht los. Und diese Schmerzen im Knie sind auch irgendwie schlimmer geworden. Vermutlich ist Joggen auch gar nicht gut für das Knie. Sie sind schließlich auch untrainiert. Schwimmen wäre bestimmt besser. Genau. Sie gehen lieber schwimmen.

Morgen gehen Sie schwimmen; das ist besser. Ach … morgen geht nicht, aber übermorgen. Ok, dann schonen Sie heute das Knie, morgen essen Sie ganz gesund und übermorgen gehen Sie schwimmen. 100%ig. Und nun können Sie heute doch noch glücklich und zufrieden eine Tafel Schokolade auf dem Sofa vor dem Fernseher genießen.

Und so weiter und so fort…. Kommt Ihnen irgendetwas bekannt vor, möglicherweise sogar von Ihnen nahestehenden Menschen?

Sie haben entweder gleich keine gute Entscheidung oder erst eine gute Entscheidung getroffen und diese geändert, also eine schlechte Entscheidung daraus gemacht.

Eine schlechte Entscheidung bleibt aber eine schlechte Entscheidung.

Alles andere ist Ausrede und Schönrederei.

Diese schlechten Entscheidungen kosten Unmengen Zeit und Energie. Sie berauben uns unserer Kräfte, sie bringen uns zu einem belasteten Leben und machen uns klein. Wofür sollte das gut sein?

Der dritte Fall ist simpel. Ich weiß was ich will und was mir wichtig ist. Ich prüfe, ob meine Entscheidung mich dorthin führt, kurz-, mittel- und langfristig. Wenn ich es nicht genau weiß, muss ich mehr Informationen einholen. Solange, bis ich vernünftig entscheiden kann.

Sie und ich sind durchaus in der Lage vorher zu denken, auch wenn es etwas Arbeit macht und scheinbar unbequem ist. Doch wir beide wissen, dass die Fehlentscheidung wesentlich unbequemer wird. Entscheidungen sind selten so schnell zu treffen, dass man nicht mehr überlegen kann. Wir nehmen uns nur oft diese Zeit nicht.

Tatsächlich kann man Entscheiden genauso trainieren wie einen Muskel. Mit jedem Mal werden wir besser, schneller und stärker. Mit jeder guten Entscheidung werden Sie stärker und größer.

Wofür sollte also eine falsche Entscheidung gut sein?

Wollen Sie lieber trainieren und besser werden oder die Fehlentscheidungen rechtfertigen?