2025-04-22-Infrastruktur

Infrastrukturpaket: Regierung plant neue Schulden für Verteidigung und Infrastruktur

Die Regierung plant neue Schulden für Verteidigung und Infrastruktur. 500 Milliarden stehen in den kommenden zehn Jahren zusätzlich für Brücken, Straßen, Schienen, Schulen und eine bessere Ausstattung von Verwaltungsgebäuden sowie der digitalen Netze zur Verfügung. Chefsache24 hat darüber mit Bernd Patzke gesprochen, einem Insider, der sich sowohl auf der Planungs- als auch auf der Ausführungsebene auskennt und der sich zugleich in Fachgremien einbringt. Seine Meinung zum Infrastrukturpaket regt zum Nachdenken an.

Wie sehen Sie die Entscheidung der Koalition, 500 Milliarden Euro Schulden aufzunehmen und diese in die öffentliche Infrastruktur zu investieren aus Ihrer fachlichen Sicht und als Insider?

Aus meiner Sicht ist die Entscheidung, ein solch umfassendes Investitionspaket zu schnüren, grundsätzlich richtig – und angesichts des Zustandes von Brücken und Straßen notwendig. Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig in die öffentliche Infrastruktur investiert. Brücken, Schienen, Schulen, Verwaltungsgebäude und digitale Netze – vielerorts besteht dringender Modernisierungsbedarf.

Als jemand, der mit den Herausforderungen auf praktischer Ebene vertraut ist, sehe ich aber auch die Grenzen: Geld allein löst keine Probleme. Was fehlt, ist häufig die Umsetzungsmöglichkeit. Planungs- und Genehmigungsverfahren dauern zu lange, Zuständigkeiten sind zersplittert, und qualifiziertes Personal in Verwaltungen und bei Projektträgern ist knapp. Wenn hier nicht gleichzeitig entschlackt, reformiert und nachgesteuert wird, droht ein großer Teil der Mittel zu versanden – oder erst in späteren Jahren Wirkung zu entfalten.

Wo glauben Sie, kommt das Geld tatsächlich an? Was und wo wird gebaut?

Vermutlich wird der größte Teil des Geldes in klassische Infrastrukturprojekte fließen: Straßen, Brücken, Schienenwege, Schulen, Verwaltungsbauten, Energienetze und Digitalinfrastruktur. Besonders groß ist der Investitionsdruck in strukturschwächeren Regionen – dort, wo jahrzehntelang gespart wurde und der Sanierungsstau sichtbar ist. Aber auch in den Ballungsräumen ist Bedarf: etwa beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, beim Wohnungsbau oder bei der Ertüchtigung alter Gebäudesubstanz im Bildungs- und Gesundheitswesen.

Gleichzeitig wird ein Teil der Mittel in sogenannte „Zukunftsinfrastrukturen“ gelenkt – etwa Ladeinfrastruktur für E-Mobilität, Wasserstoffnetze oder klimaneutrale Gebäudetechnik. Die Herausforderung ist, dass Projekte nach der Planung noch nicht umsetzungsreif sind. Das heißt: Es dauert, bis das Geld tatsächlich vor Ort ankommt und durch Baumaßnahmen sichtbar wird.

Was ist aus Ihrer Sicht am dringendsten in Sachen Erneuerung und Modernisierung der Infrastruktur?

Die Prioritäten hängen stark von der Perspektive ab – aber wenn ich es aus gesamtwirtschaftlicher Sicht betrachte, sind drei Bereiche besonders dringlich:

Zuerst die Verkehrsinfrastruktur – insbesondere Brücken, Bahnstrecken und der ÖPNV. Viele Brücken in Deutschland sind in einem kritischen Zustand, der Schienengüterverkehr ist an der Kapazitätsgrenze und in Städten wie auch in ländlichen Regionen fehlt es an verlässlichen, modernen Verkehrsverbindungen.

Der zweite Schwerpunkt sollte die digitale Infrastruktur sein. Wir reden viel über Digitalisierung, aber ohne flächendeckendes, stabiles Internet bleibt diese Theorie. Gerade in ländlichen Räumen hemmt der schleppende Breitbandausbau Wirtschaftskraft und Innovationspotenzial.

Und drittens geht es um die soziale Infrastruktur, also Schulen, Kitas, Verwaltungsgebäude und Krankenhäuser. Hier geht es nicht nur um Sanierung, sondern auch um Attraktivität: moderne Lern- und Arbeitsumgebungen, Energieeffizienz, Barrierefreiheit. Es sind Orte, an denen unsere Gesellschaft jeden Tag konkret erlebt wird.

Langfristig betrachtet ist auch die energetische Infrastruktur entscheidend – also Netze, Speicher und Versorgungssysteme für eine klimaneutrale Zukunft.

Inwieweit können Bauunternehmen, Ingenieur- und Planungsbüros oder Handwerksbetriebe tatsächlich von den Milliarden profitieren? Stehen die Fachkräfte und Ressourcen zur Verfügung?

Grundsätzlich profitieren diese Branchen von Investitionen in Infrastruktur – sie sind die Umsetzer. Für Bauunternehmen, Planungs- und Ingenieurbüros sowie das Handwerk eröffnen sich Chancen für vollere Auftragsbücher an langfristigeren Projekten. Aber ein Engpass liegt tatsächlich bei den Kapazitäten. Schon jetzt kämpfen viele Betriebe mit dem Fachkräftemangel und einer bereits bestehenden Auslastung.

Ein Teil der Lösung könnte in der gezielten Förderung von Ausbildung, Qualifizierung und Zuwanderung liegen, ein anderer in der besseren Verzahnung von Verwaltung und Wirtschaft, um Planungen effizienter zu gestalten und Engpässe frühzeitig zu erkennen. Denn nur, wenn auch die „Maschinerie dahinter“ funktioniert, entsteht aus dem Geld echte gesellschaftliche Wirkung.

Welche Auswirkungen auf den Markt werden die Milliarden haben (z. B. steigende Materialpreise, höhere Löhne, mehr Wettbewerb, Verschiebungen einzelner Sparten, steigende Bauzinsen, …)?

Ein Investitionsprogramm dieser Größenordnung wird den Markt deutlich spürbar beeinflussen – und das in vielerlei Hinsicht.

Kurzfristig, wenn die Nachfrage das Angebot an Kapazitäten übersteigt, steigen Preise.

Mittelfristig kann sich der Wettbewerb verschärfen – nicht um Projekte, sondern um Personal. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen können unter Druck geraten, wenn große Akteure mit größeren finanziellen Mitteln sich auf dem Markt noch mehr etablieren. Gleichzeitig entstehen aber auch Chancen, zum Beispiel in den Bereichen klimafreundliches Bauen, Infrastruktur für erneuerbare Energien oder digitale Planungstechnologien.

Langfristig könnten sich auch strukturelle Verschiebungen ergeben: Wer frühzeitig auf nachhaltige, modulare und serielle Bauweisen setzt, wird sich Wettbewerbsvorteile sichern. Die Zinsen werden voraussichtlich ebenfalls eine Rolle spielen – denn große Investitionspakete können auch zu einer anderen Bewertung von Risiken und Kapitalverfügbarkeit führen.

Die Kunst wird sein, diese Entwicklungen aktiv zu steuern – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch.

Inwieweit glauben Sie, dass die Milliarden die Wirtschaft und die Gesellschaft insgesamt voranbringen?

Richtig eingesetzt können die Investitionen ein echter Wachstumsmotor sein – nicht nur für einzelne Branchen, sondern auch für die gesamte Volkswirtschaft. Infrastruktur wirkt indirekt: Sie schafft Voraussetzungen für Mobilität, Kommunikation, Bildung, Gesundheit und Energieversorgung. Jeder Euro, der klug investiert wird, stärkt damit auch die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland.

Gesellschaftlich geht es um mehr als nur wirtschaftliche Effekte. Eine moderne Infrastruktur ist die Grundlage für Teilhabe, Chancengleichheit und Lebensqualität. Wenn Schulen saniert, Krankenhäuser modernisiert und ländliche Regionen besser angebunden werden, stärkt das das Vertrauen der Menschen in staatliches Handeln. Es sind Investitionen in den sozialen Zusammenhalt.

Allerdings: Die Wirkung hängt entscheidend von der Umsetzung ab. Die Milliarden sind eine große Chance, sie sind aber auch eine große Verantwortung.

Wie glauben Sie mit Ihrem Unternehmen von den Milliarden profitieren zu können? Ändern diese etwas an Ihren Planungen oder Vorhaben?

Für unser Unternehmen bedeuten die angekündigten Investitionen in erster Linie mehr Perspektiven und Auslastungssicherheit. Wir rechnen damit, dass die Nachfrage in unserem Bereich steigen wird – nicht unbedingt von heute auf morgen, aber über die nächsten Jahre verteilt. Das betrifft zur Vorbereitung und Begleitung der Bauaufträge die begleitenden Leistungen, Planung und Beratung. Darauf stellen wir uns ein: Wir prüfen, wo wir Kapazitäten ausbauen können, wo zusätzliche Qualifikationen erforderlich sind und welche Partnerschaften sinnvoll sind, um größere Projekte stemmen zu können. Gleichzeitig behalten wir im Blick, dass solche Programme oft nicht linear verlaufen. Es gibt Förderzyklen, politische Verzögerungen und manchmal auch kurzfristige Prioritätswechsel. Flexibilität bleibt also wichtig.

Insgesamt sehen wir aber: Wenn der Staat bereit ist, in die Zukunft zu investieren, dann ist das auch ein Signal an die Wirtschaft, mitzuziehen – mit Innovation, Engagement und klaren Konzepten.

Was muss auf Seiten der Verwaltung (Baugenehmigungen, Planungen, Ausschreibungen, politische Entscheidungen, …) geschehen, damit die Projekte schnell in die Umsetzung kommen? Wo liegen derzeit die größten Hindernisse?

Die Verwaltung ist aktuell der Flaschenhals. Ohne grundlegende Reformen in den Genehmigungs- und Planungsprozessen werden viele Projekte stark verzögert realisiert werden können. Es dauert teils Jahre, bis ein Vorhaben von der Idee zur Umsetzung kommt – das ist in Zeiten von akutem Handlungsbedarf schlicht nicht mehr tragbar.

Was es braucht, sind schnellere Verfahren, klare Zuständigkeiten, digitale Prozesse und weniger Bürokratie. Planungsbeschleunigung darf dabei nicht heißen, dass Standards sinken – aber, dass Entscheidungen schneller und verbindlicher getroffen werden. Auch das Ausschreibungswesen muss dringend entstaubt werden: zu kompliziert, zu langwierig, zu wenig innovationsfreundlich.

Ein weiterer Knackpunkt ist die Personalsituation in den Verwaltungen. Viele Ämter sind unterbesetzt oder nicht ausreichend qualifiziert für die steigende Komplexität der Projekte. Hier können wir, als Ingenieurbüro, zusammen Aufgaben von der Verwaltung übernehmen, um Planung und Bauvorbereitung zu beschleunigen.

Es reicht also bei weitem nicht, Geld bereitzustellen. Die Umsetzung entscheidet über Erfolg oder Misserfolg dieses Paketes.

Wie beurteilen Sie die neuen Schulden (bau)politisch, unternehmerisch und gesellschaftlich?

Baupolitisch halte ich die neuen Schulden für gerechtfertigt, solange sie zielgerichtet investiert werden. Infrastruktur ist keine kurzfristige Ausgabe, sondern ein langfristiger Vermögenswert. Wer heute nicht baut, zahlt morgen doppelt: in Form von Instandhaltung, Ausfallkosten und wachsendem Rückstand gegenüber anderen Volkswirtschaften.

Unternehmerisch betrachtet schaffen die Investitionen Planungssicherheit und Entwicklungsspielraum – gerade in einem Marktumfeld, das zuletzt unter Unsicherheiten gelitten hat. Wenn sich die öffentliche Hand klar positioniert, schafft das Vertrauen und setzt auch private Investitionen in Gang.

Gesellschaftlich ist die Maßnahme mutig, aber nicht risikolos. Die Menschen erwarten zu Recht, dass Schulden, die in ihrem Namen aufgenommen werden, spürbare Verbesserungen bringen: im Alltag, in der Lebensqualität, in der Versorgung. Bleibt dieser Effekt aus – oder wird er zu spät sichtbar –, kann das Vertrauen in politische Entscheidungsprozesse Schaden nehmen.

Entscheidend ist deshalb, dass die Investitionen nicht als Strohfeuer verpuffen, sondern als gezielte, gut kommunizierte Zukunftsstrategie, erlebbar werden.

Was ist aus Ihrer Sicht noch dazu zu sagen?

Das Investitionspaket ist eine historische Chance – aber eben auch ein Stresstest für unsere Strukturen. Es geht nicht nur ums Geld, sondern darum, ob wir als Gesellschaft in der Lage sind, große Dinge gemeinsam anzupacken und umzusetzen. Das fängt bei der Politik an und geht über die Verwaltung bis hin zur Wirtschaft.

Was mir wichtig ist: Wir dürfen uns nicht verzetteln. Nicht jedes Projekt muss neu gedacht, nicht jedes Verfahren neu erfunden werden. Vieles liegt längst in den Schubladen – wir müssen es nur anpacken. Und wir brauchen einen realistischen Blick auf unsere Umsetzungs- und Leistungsfähigkeit.

Wenn es gelingt, das Paket strategisch zu steuern, Prioritäten zu setzen und Transparenz in der Umsetzung zu schaffen, dann kann es mehr sein als ein Konjunkturprogramm – nämlich ein Signal, dass Zukunft in Deutschland wieder gestaltbar ist.

Unternehmensprofil:

Bernd Patzke ist Gründer und Inhaber der Ingenieurgesellschaft Patzke GmbH – Büro für Bauwesen (IGP) mit Sitz in Soest, Die IGP ist seit mehr als 20 Jahren eine feste Größe bei der Planung und Überwachung anspruchsvoller Infrastrukturprojekte. Nach dem Leitsatz „Alles aus einer Hand“ übernimmt die IGP sämtliche Leistungen von der anfänglichen Beratung über die Vermessung, die Durchführung aller Planungsphasen sowie der Bauüberwachung bis zur abschließenden Bauabrechnung alle ingenieurtechnischen Leistungen für Straßen-, Kanal- und Tiefbauprojekte. Darüber hinaus ist die IGP anerkannter Partner bei komplexen Erschließungsmaßnahmen von Wohngebieten und Gewerbeflächen. Der Anspruch: Projekte fachlich versiert, wirtschaftlich erfolgreich und besonders effizient zum Abschluss bringen.

Das aus 25 Mitarbeitern bestehende IGP-Team ist international und umfasst Ingenieure, Techniker, technische Planer sowie Fachkräfte für Bürokommunikation. Betreut werden Bauaktivitäten vorwiegend in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus. Zum Team gehören Azubis – das Unternehmen bildet regelmäßig aus und engagiert sich sehr für den Nachwuchs – sowie Fachkräfte aus dem In- und Ausland. Die IGP und deren Geschäftsführer Bernd Patzke ist in zahlreichen Fachgremien und lokalen Initiativen engagiert, unterstützt lokale Vereine und bringt sich vielfach in soziale, kulturelle und gemeinnützige Projekte ein. Die IGP ist als „familienfreundliches Unternehmen“ ausgezeichnet und Träger des „Großen Preises des Mittelstands“ der Oskar-Patzelt-Stiftung.

Weitere Informationen unter www.patzke-ing.de.