Trickser haben ein besonders gutes Handicap

Suzanne Grieger-Langer: So durchschaut man unglaubwürdige Schutzbehauptungen

Wer in seinem Leben schon einmal Opfer eines Tricksers geworden ist, hat sich bestimmt vorgenommen, nie wieder auf die Masche eines Blenders hereinzufallen. Man ist fest entschlossen, fremden Menschen, denen man privat oder im Beruf begegnet, künftig mit besonderer Vorsicht zu begegnen, um die sprichwörtliche Spreu vom Weizen zu trennen, bevor es wieder einmal zu spät ist und man sich erneut von Lügen und Manipulationen hat blenden lassen. Diese Schutzhaltung ist nachvollziehbar, reicht aber in den meisten Fällen als Verteidigungsstrategie nicht aus. Denn: Unter den Tricksern gibt es welche, die ihr perfides Handwerk besser verstehen als andere. Die Meister unter den Blendern haben ein besonders gutes Handicap in ihrem fragwürdigen Metier.

Das Handicap eines Tricksers ist das, was man in der Kriminalistik eine unglaubwürdige Schutzbehauptung nennt. Es sind fadenscheinige Ausreden, die das Gegenüber in eine Rolle drängen, in der es das Gefühl bekommt, den Trickser retten zu müssen. Dem Blender selbst geht es allerdings schlicht darum, Mitleid bei seinem Opfer zu erzeugen, um seinen Willen durchzusetzen und dabei unangenehme Konfrontationen zu vermeiden. Dabei setzt der Blender sein manipulatives Verhalten ganz geschickt immer dann ein, wenn andere Manipulationstechniken versagen.

Das Handicap des Tricksers legt — wie beim Golf die Spielstärke — die Verantwortungs- und Einsatzstärke fest. Während man beim Golf allerdings stolz ist auf ein niedriges Handicap und damit auf eine hohe Spielstärke, ist der Trickser an einem möglichst großen Handicap und damit an einer möglichst niedrigen Verantwortungseinforderung interessiert. Denn dann darf er viel öfter zu- und abschlagen, ohne dafür die Konsequenzen tragen zu müssen.

Profiler wissen: Der Trickser benutzt sein Handicap, um im Machtpoker die Verantwortung auf die anderen Beteiligten zu verteilen. Egal, was schiefläuft: In den Augen des Blenders tragen immer die anderen die Schuld – Kritik prallt gänzlich an ihm ab. Sein Handicap soll den Blender rechnerisch angleichen. Damit kann er durchaus gegen sein Opfer gewinnen, auch wenn dieses besser spielt, kompetenter, zuverlässiger und stärker ist. Das Handicap ist prinzipiell nichts weiter als die gute alte Mitleids-Masche. Im Notfall wird dann auch schon mal in tränenreicher Verzweiflung auf das persönliche

Handicap verwiesen. Und dann ist plötzlich kein Raum mehr für die Anfragen oder Forderungen von Kollegen oder Vorgesetzten. Kollegen, die hier nicht hellwach sind und die Situation durchblicken, werden sich schnell dabei ertappen, mit dem Trickser mitzufühlen, seine Angst zu teilen und ihn zu trösten.

So mancher Trickser entpuppt sich als eine wahre „Zitronenpresse“: Er schlägt die Gefühlssaite an und nutzt seine Kollegen aus, indem er immer mehr Hilfe und Unterstützung verlangt und dafür immer neue Geschichten vorgaukelt. Wenn der Retter – sprichwörtlich ausgepresst wie eine Zitrone – nicht mehr „rentabel“ genug ist, entledigt sich der Blender seiner ohne die geringste Gemütsbewegung. Erst, wenn ein Helfer fallengelassen wird wie eine heiße Kartoffel, wird den meisten bewusst, dass sie überhaupt ein Opfer geworden sind.

Ein Handicap kann alles sein. Bei den Vätern und Müttern unter den Tricksern sind die Kinder das größte Handicap: Arbeitgeber, Vorgesetzte, aber auch Kollegen, die beispielsweise fordern, rechtzeitig zur Arbeit zu erscheinen oder Überstunden zu machen, um eine Terminsache fristgerecht zu erledigen, müssen sich mitunter gefallen lassen, dass man sie als kinderfeindlichen Karrieristen abstempelt. Es geht aber auch subtiler: Trickser schieben nicht selten einfach den Stress im Alltag, diffuse Schmerzen oder eine nicht funktionierende Beziehung vor, um im Job von Zusatzaufgaben ausgenommen zu werden und möglichst glimpflich – soll heißen ohne große Anstrengung – durch den Arbeitsalltag zu kommen.

Was auch immer die Gründe eines Tricksers für seine Verantwortungsvermeidung sein mögen – sie sind unannehmbar und das Verhalten unentschuldbar, denn die perversen Manipulationen verursachen ernsthafte Störungen im Team und im gesamten Unternehmen.

 

Drei Tipps, um sich vor Manipulationen zu schützen, lauten:

  1. Kläre, was die Vertragssituation ist: Wird jeder seiner Seite gerecht? Oder beklagt gerader derjenige Ungerechtigkeit, der selbst ungerecht ist?
  2. Prüfe, wie das Verhältnis von Geben und Nehmen ist: Erkennst Du auch bei sachlicher Prüfung ein Ungleichgewicht?
  3. Und selbst wenn es sich um ein echtes Handicap, vielleicht sogar eine Notlage handelt: Kannst Du Dich und Dein Team tatsächlich damit zusätzlich belasten?