Firmen achten bei Neueinstellungen mehr auf weiche Faktoren als auf die formale Ausbildung
Angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels werden Softskills immer wichtiger, während die formale Ausbildung an Bedeutung verliert, stellt die BWA Akademie („Consulting, Coaching, Careers“) in Bonn fest. Bei einem Bewerber mit ausreichender Sozialkompetenz übernehmen immer mehr Unternehmen die erforderliche Aus- und Weiterbildung, hat die Akademie in ihrer Beratungspraxis bemerkt. „Hauptsache durchsetzungsstark und kann gut telefonieren“, gibt BWA-Geschäftsführer Harald Müller ein Beispiel für ein heutzutage typisches Anforderungsprofil an die Softskills.
Während Branchen wie der Automobilsektor oder die chemische Industrie vor größeren Entlassungswellen stehen, suchen Unternehmen in anderen Wirtschaftsbereichen verzweifelt nach Mitarbeitenden, weiß BWA-Chef Harald Müller, dessen Firma unter anderem darauf fokussiert ist, diese Transformationsprozesse zu begleiten. „Früher wurde bei Übernahmen vor allem nach formalen Kriterien wie Ausbildung, Fachwissen und Betriebszugehörigkeit entschieden. Heute stehen die Softskills im Vordergrund“, sagt Müller. Die Fokussierung auf die Sozialkompetenz reicht über die Facharbeiterschaft bis hoch hinaus in die Führungsebene, hat BWA in Projekten festgestellt.
Sozialkompetenz immer wichtiger
Harald Müller erklärt: „Eine Ausbildung oder ein akademischer Abschluss alleine befähigen längst nicht mehr zu einer Führungsaufgabe. Schließlich wird an den Hochschulen und Universitäten in Deutschland vieles gelehrt, aber mit Sicherheit keine Sozialkompetenz. Die Ausbreitung sozialer Inkompetenz beeinflusst aber zusehends den unternehmerischen Erfolg. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, wenn immer mehr Unternehmen bei Neueinstellungen den weichen Faktoren einer Person einen deutlich höheren Stellenwert beimessen als je zuvor.“
Die Misere der mangelnden Sozialkompetenz hängt nach Einschätzung von BWA-Chef Harald Müller unmittelbar damit zusammen, dass in vielen Firmen die Personalabteilungen heutzutage längst nicht mehr den Stellenwert besitzen, den sie einst hatten. „Die meisten HR-Abteilungen wurden selbst personell ausgedünnt und sind mit der Lohnbuchhaltung und der Personalverwaltung beschäftigt. Häufig müssen sich drei Personaler um 1.000 oder mehr Beschäftigte kümmern. Dabei wird neben Alltagsfragen zu Urlaub, Krankheit, Elternzeit oder Rente die Personalentwicklung weitgehend vernachlässigt, obgleich es auf die gerade ankäme. Personal wird seit langem überwiegend als Kostenstelle eingestuft, statt als Investition in Potenziale für die Zukunft“, erläutert Harald Müller.
Personalmatrix ohne Softskills
Nach Erfahrung der BWA verfügen die meisten Unternehmen nicht einmal über eine Personalmatrix, in der die Fähigkeiten und Hemmnisse ihrer Beschäftigten festgehalten sind. „In keinem Fall gibt die Matrix Auskunft über die Softskills der Mitarbeitenden“, weiß Harald Müller aus der Praxis. „Eine Firma könnte einen abgebrochenen Maschinenbau-Studenten in der Produktion beschäftigen, ohne es zu wissen“, gibt der BWA-Chef ein Beispiel, und führt aus: „Damit kann das Unternehmen natürlich auch nicht das Entwicklungspotenzial ausschöpfen, das der Produktionskollege möglicherweise mitbringt.“